Eine Woche ist es jetzt her, da gingen wir ein letztes Mal an den Strand, und ich nahm von hinten dieses Foto auf. Du auf den Schultern deines Papas, klein und groß zugleich, geborgen und doch frei, sicher gehalten und doch das ganze Leben vor deinen Füßen ausgebreitet. Mein Herz platzt fast vor Liebe und Rührung, wenn ich dieses Bild sehe – wie klein du noch bist! Wie selbstbewusst du steuerst – da lang, Papa! Wie sehr ihr zwei wieder zusammen gewachsen seid in diesen wunderbaren Urlaubswochen. Und heute, sieben Tage später, sind wir schon wieder in einer ganz anderen Welt angekommen und die erste Woche der Krippen-Eingewöhnung liegt bereits hinter uns.

Der letzte Urlaubstag ist für mich immer ein bisschen ein Anlass zur Melancholie, ebenso die ersten Herbsttage. Dieses Mal liegt beides so nah beieinander und dazu kommt das späte Bewusstsein, dass mit dem Beginn der Kita-Eingewöhnung noch etwas viel Größeres zu Ende gegangen ist: Ein Lebensabschnitt, der unwiederbringlich vorbei ist – für dich, wie für mich.
Für dich, mein Sohn, ist es eine Zeit, an die du dich später wohl nicht wirst erinnern können. Wir können dir davon erzählen und Fotos zeigen, schau, so sahst du als Baby aus, und hier reitest du auf Papas Schultern zum Strand, am letzten Urlaubstag des Sommers, als du ein Jahr alt warst…
Viel wichtiger aber, als bewusste Erinnerungen, haben wir in den vergangenen 16 Monaten alles daran gesetzt, in deinem Herzen und deinem Kopf eine Basis zu legen für ein freies, glückliches und selbständiges Leben. Wir haben dir Sicherheit, Geborgenheit und Nähe gegeben, so viel du wolltest und so viel wir konnten. Wir haben uns ganz nach dir gerichtet, deine Bedürfnisse standen – und stehen – im Mittelpunkt unseres Lebens. Denn es ist unsere Überzeugung, dass nur aus einer sicheren Basis heraus jemand Starkes entstehen und wachsen kann, der in der Lage ist, andere und sich selbst zu lieben und glücklich zu sein.
Ab jetzt beginnt eine Zeit, in der andere Menschen regelmäßig in deinem Leben sein werden. Es wird feste Zeiten und Rhythmen geben, neue Regeln und Grenzen, einen ersten Alltag. Du weißt noch nichts vom Alltag, ein Begriff, der für uns Erwachsene oft eher negativ besetzt ist. Du lebst im Hier und Jetzt, und deshalb sehe ich diese Veränderungen als große Chance für dich, ganz unbelastet erste Schritte zu gehen heraus aus unserer Kleinfamilie, in die Welt da draußen. Neue Beziehungen aufzubauen, Bindungen einzugehen, Erfahrungen zu sammeln. Was sich nicht und niemals ändern wird, ist dass wir da sind und dich auf deinem Weg begleiten. Auch und erst recht, wenn du jetzt ein erstes Mal von unseren Schultern herunter steigst.
Ein Blick zurück, und einer nach vorn
Auch für mich geht ein Abschnitt unwiderruflich zu Ende, eine Zeit des großen Glücks. Auch wenn die Liebe und das Glück bleiben, weiter wachsen, neue wunderbare Erlebnisse und Herausforderungen auf uns als kleine Familie warten: So, wie diese fast anderthalb Jahre waren, so wird es nie wieder sein. So innig, so unmittelbar, so nur-wir-drei (und oft: nur-wir-zwei). Schlafen, stillen, essen, spielen, wickeln, repeat. Alle Strukturen und Vorstellungen loslassen und sich nur auf ein kleines Lebewesen und seinen Rhythmus einlassen.
Was viele als langweilig empfinden, als eintönig und gleichzeitig enorm kräftezehrend, hat auch mich immer wieder an meine Grenzen gebracht, gefordert, manchmal genervt. Aber weit überwiegend – so zumindest jetzt der sentimentale Blick zurück – war es eine Zeit der inneren und äußeren Freiheit, geteilt mit dem liebsten Menschen, den eine Mutter haben kann auf der Welt: ihrem Kind. Hoffentlich wirst du eines Tages Geschwister haben, mein Sohn, und auch ihnen werde ich versuchen, alles zu geben, was ich dir gegeben habe. Aber so innig und aufeinander eingeschworen wird es nie wieder sein. Es wird Termine geben, Wecker, Strukturen – einen Alltag. Daran muss ich mich jetzt erstmal wieder gewöhnen. Gleichzeitig blicke ich gespannt und voller Vorfreude auf alles, was kommen mag. Der Urlaub hat unsere Familienbande noch einmal gestärkt, die Herausforderungen der ersten Woche haben wir gemeistert und so werden wir auch noch viele weitere Hürden nehmen – zusammen.